29 November 2006

Fraternisierung im Mekong-Delta

Ich bin in Vietnam, dem dritten Land meiner Asien-Tour und um es kurz zu machen: Ich liebe es. Schon auf der Anreise beschlich mich die Vermutung, dass es mir unter Ho Chi Minhs Ahnen durchaus gefallen könnte. Eine Rolle dabei spielte sicher die Beschreibung eines deutschen Mitreisenden*, der seine Zeit in Vietnam wie folgt zusammenfasste: "Die Unterkünfte sind etwas teurer, aber das Essen ist billiger und besser." Mittlerweile weiß ich: Er hat recht - und auch ansonsten ist Vietnam für Reisende meines Schlags ein Traum. Als kleines Beispiel dient mein erster Abend in Chau Doc, einer mittelgroßen Stadt am Rande des Mekong-Deltas.
Nachdem ich dort am Nachmittag angekommen und recht zügig ein Hotel gefunden hatte, wollte ich eigentlich nur mehr einen ruhigen Abend verbringen, da bereits am nächsten Tag die Weiterreise anstand. Doch beim Spaziergang durch Chau Doc lag mir ein kleiner Vietnamese auf seinem Fahrrad-Taxi so lange in Ohren, bis ich schließlich zu einer Stadtrundfahrt einwilligte. Zudem, ich gebe es zu, hatte ich mich heillos verirrt und benötigte dringend einen Geldautomaten. Also sprang ich auf den Anhänger und ließ mich zwei Stunden durch Chao Doc kutschieren. Nach Markt und Pagode ging es auf den nahen Berg Sam, wo ich mit einem traumhaften Sonnenuntergang belohnt wurde. Da Loss, der kleine Vietnamese mit dem brüchigen Englisch, irgendwann schweißgebadet und völlig außer Puste war, wechselten wir kurzfristig die Rollen, so dass er es sich auf dem Anhänger bequem machen durfte - sehr zur Belustigung seiner Landsleute, die mich lachend anfeuerten.
Als Loss schließlich von Dannen gezogen war - mit zwei Dollar in der Hand und einem strahlenden Grinsen von Ohr zu Ohr - zwang mich mein nimmermüder Hunger ein weiteres Mal aus dem Hotel. Von Abenteuerlust gepackt, scheute ich den Restaurant-Tipp der Hoteldame und suchte stattdessen das erstbeste Lokal auf, das bis zum letzten Platz mit Vietnamesen gefüllt war. Nun weiß ich nicht, wie Freizeitgestaltung in Chau Doc gewöhnlich aussieht, doch wenn man die Aufruhr betrachtet, die mein Besuch auslöste, dann kann es damit nicht weit her sein. Als wäre ich ein neunköpfiger Drache, verfolgte das gesamte Lokal begeistert, wie ich mit Hilfe des Sprachführers Reis (com) mit Huhn (ga) bestellte. Ihren Blicken zu urteilen, hatten sie wohl halb damit gerechnet, dass ich das Essen - ganz wie die Außerirdischen bei Münchhausen - durch eine Klappe in meinen Bauch schieben würde, doch selbst ohne solche Einlagen muss ich eine gute Show geboten haben.
Als die Nachbarrunde sich genug Mut angetrunken hatte, luden sie mich an ihren Tisch ein. Da ihr Englisch und mein Vietnamesisch sich jedoch auf Augenhöhe begegneten, verlegten wir uns nach den wichtigsten Fragen zu Name, Alter und Familienstand (Patsii, 26, verheiratet) schnell aufs Trinken. Unter den Anfeuerungen meiner neuen Freunde leerte ich dabei wiederholt das mir angebotene Glas pflichtbewusst in einem Zug, nur um keine fünf Minuten später erneut zum Trinken aufgefordert zu werden. Ich weiß noch immer nicht, was das Teufelszeug in der Plastikflaschen war - Reisschnaps oder der berüchtigte Mekong-Whiskey? - doch es war keineswegs so harmlos, wie es schmeckte. Entsprechend dauerte der sich inzwischen schlängelnde Heimweg etwas länger, wobei ich es mir nicht nehmen ließ, dem Süßigkeiten-Stand am Straßenrand noch einen Besuch abzustatten. Donut, Windbeutel und Popcorn verdrückte ich schließlich unter Chau Docs Sternenhimmel auf dem Hotelbalkon - zusammen mit einer dringend benötigten Flasche Wasser und der Erkenntnis: In Vietnam lässt es sich urlauben.
P.S. Da es mir im Mekong-Delta so gut gefällt, habe ich den Saigon-Plan nach hinten verschoben. Nach zwei Tagen in Ha Tien - wo mich nunmehr jeder zweite Einwohner als "den verrückten Weißen auf dem Fahrrad" kennt und grüßt - geht es morgen nach Phu Quoc. Die Insel ist eines der beliebtesten Reiseziele der Vietnamesen und lockt angeblich mit weißsandigen Traumstränden. Aber das wäre ja dann doch zuviel des Guten, oder?
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Loss, mein Fuehrer in Chau Doc, und ich staerken uns bei einer frischen Kokosnuss

*Nicht dass relevant wäre, aber er hieß Gunfried aka "nenn mich einfach Fisch", 32, Sozialpädagoge aus Leipzig - und, ja, genau so sah er aus.

9 Comments:

At 3:04 PM, Anonymous Anonym said...

moin P,

wie ich sehe bist du wirklich begeistert von Vietnam.
was anhand deiner geschichten ja auch nur zu verständlich ist.
da kann der kleine loss auch glücklich sein, dass er dich nicht nach dem "com" mit "ga" erwischt hat ;).
"der verrückte weisse auf dem fahrrad" kommt auf dein nächstes fussball-trikot, in vietnamesisch versteht sich.

und bezüglich des schnapsses, kann ich nur meine erfahrung wieder geben.
mekong-whiskey ist alles andere als sanft und lecker und man schmeckt jedes prozent alkohohl - moment hab ich grad gesagt der ist nicht lecker... naja,jedenfalls stimmt preisleistung hehe.
... nur gut dass du mit dem otto vor deiner abreise noch ordentlich trainiert hast ;)

ach ja...gibts eigentlich ein photo von gunfried, dem Wesen halb sozialpädagoge halb Fisch?

p.s. ist eigentlich meine mail zu dir in den dschungel durchgedrungen?

 
At 8:00 AM, Blogger Patrik said...

Ey Dicker,
ja, die E-Mail hab ich bekommen und zufrieden daraus geschlossen, dass du es dir im fernen Daenemark gut gehen laesst. Ach ja, und bei Lebkuchen, Schoko-Weihnachtsmaennern und dem "Weihnachtsbier" musste ich schon ein Traenchen unterdruecken.
Nicht dass ich sentimental waere, aber Weihnachten mit allem drum und dran (sprich Weihnachtslieder, Geschenke, Gluehwein und Plaetzchen ist doch eines meiner Lieblingsfeste...)
Bis denne,
Patrik

 
At 10:43 PM, Anonymous Anonym said...

ja lässig
hatte da kurzzeitig probleme. meine mails sind einfach nicht angekommen.

ich kann mir vorstellen wie hart das für dich ist, nachdem ich weiss wie gern du plätzchen isst.

vlt schickt dir mama ja welche nach Aussie-land. musst sie mal nett fragen.

bis denne

 
At 12:58 AM, Anonymous Anonym said...

"vlt schickt dir mama ja welche nach Aussie-land..."

Hey Dozy (Grüße nach Dänemark), mach mal halblang, Patrik hat in Australien Sonne, Meer, Strand und nach dem Date mit Buddhas Augenbraue auch noch Macht, Geld und schwedische Unterwäschemodels.

Alles was ich hier habe, ist Regen, Kälte, Mensafutter und den "verrückten kleinen Bruder, der mit dem weißen Auto Linienbusse rammt" (kommt nächste Saison auch auf sein Fußballtrikot)

Also ist es wohl nur fair, wenn ich wenigstens seine Portion von Mamas Plätzchen abstaube. ;-)

Und Patti, weiterhin viel Spaß in Vietnam, übertreibs nur nicht mit dem Ehrgeiz beim Radfahren, nicht das noch Gerüchte wegen Eigenblut-Doping auftauchen...

 
At 3:13 PM, Anonymous Anonym said...

"verrückten kleinen Bruder, der mit dem weißen Auto Linienbusse rammt"
??!!
lol

nice job

 
At 11:05 AM, Anonymous Anonym said...

um jetzt mal was klar zu stellen :
von rammen kann keine rede sein, höchstens leicht gestreift.es ist nicht mal ein schaden entstanden. kurz um alles halb so wild.

hey bruder

in anbetracht der tatsache, dass du momentan durch die welt reist, dir ein schönes leben machst und jetzt auch noch gesegnet bist, hast du nicht das recht dich über fehlende plätzchen zu bwschweren.
(feiern buddhisten überhaupt weihnachten?)
na ja sonsnt hast du ja hauptsächlich nur gutes zu berichten. freut mich, dass es dir immer besser gefällt und ich hoffe, dass es so bleibt.

also bis denn

 
At 12:26 PM, Blogger Patrik said...

Plaetzchen, Plaetzchen, Plaetzchen! Das ist doch eigentlich das einzige, was ich hier vermissen - nun gut, neben den Umlauten, auf den Tastaturen...
Wie dem auch sei, "Linienbusse rammen"? Na, das koennte es doch glatt noch vor "Maibaum umfahren" in die Top 10-Liste schaffen. Weiter so, Dude!

 
At 8:33 PM, Anonymous Anonym said...

Exakt richtig

 
At 2:08 PM, Anonymous Anonym said...

Krass!

 

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