23 März 2007

Im Bus um die halbe Welt

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 27-Jährige einen Traum: In sieben Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Auckland, Neuseeland (ps) - Reiseerzählungen waren Zuhause meine liebsten Bücher. Peter Moore, Bill Bryson, Bruce Chatwin - unzählige Titel habe ich verschlungen und die Autoren um ihre Erlebnisse beneidet. Tag für Tag trafen sie faszinierende Menschen und an jeder Ecke schien eine Geschichte zu warten. "So wird es mir auch gehen", dachte ich vor dem Abflug und träumte von einem siebenmonatigen Abenteuer ohne Verschnaufpause. Heute weiß ich: Reiseberichte zeigen nur die halbe Wahrheit. Sicher, auch ich habe unvergessliche Orte gesehen und interessante Menschen kennen gelernt. Doch einen essentiellen Teil des Globetrotterlebens verschweigen die Bücher. Die Rede ist von jenen unsagbar langen Stunden zwischen den Reisezielen. Oder haben Sie schon einmal Berichte über das Warten am Flughafen, übervolle Züge oder quälende Busfahrten gelesen?
Mit Letzterem könnte ich mittlerweile ganze Seiten füllen. In viereinhalb Monaten Asien und Ozeanien habe ich 16.000 Kilometer im Bus zurückgelegt. Zum Vergleich: Das entspricht dem Flug von München nach Sydney. Oder umgerechnet: 115 Kilometer pro Tag. Und nur selten hatten meine Busse die aus München gewohnte MVV-Qualität. Ich denke da etwa an die achtstündige Fahrt im Minibus durch Vietnam. Unser Fahrer hatte wohl gerade Radio und Klimaanlage entdeckt, so dass asiatische Popschnulzen in meinen Ohren dröhnten, während ich in T-Shirt und Flipflops bibberte. "Schlimmer geht es nicht", dachte ich. Da öffnete sich die Tür und eine Familie mit zwei Kindern quetschte sich zu uns auf die bereits voll besetzte Rückbank. Kommentarlos platzierte der Vater ein sabberndes Kind auf meinem linken und eine ominöse Plastiktüte auf dem rechten Oberschenkel. Kurz darauf spürte ich etwas Lebendiges unter dem Plastik, gefolgt von leisem Gejaule. Bis heute weiß ich nicht, welches arme Tier dort in der Tüte stundenlang vor sich hinjammerte. Aber glauben Sie mir: Der Moment, in dem der Bus vor dem Hotel stoppte, gehört neben Andi Brehmes Elfmeter 1990 gegen Argentinien zu den fröhlichsten Augenblicken in meinem jungen Leben.

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Der Easyrider-Backpackerbus an der Westküste Australiens

Doch all das ist Vergangenheit. Morgen fliege ich nach Südamerika. Dort wollte ich mein Bustrauma endlich hinter mir lassen. Im Geiste sah ich mich auf der Ladefläche eines Jeeps im Regenwald, im wackligen Boot auf dem Amazonas und auf einem Pferd in den Anden. Heute habe ich das erste Mal im Reiseführer geblättert. Unter dem Stichwort Transport steht dort: Für lange Distanzen in Südamerika empfiehlt sich der Bus.

In: Münchner Merkur, 24./25. März