12 April 2007

Eine Schiffsfahrt die ist lustig...

Nun liegt es also hinter mir: Von Puerto Montt nach Puerto Natales, vom Lake District nach Patagonien (siehe Karte), rund 1.500 Kilometer, knapp 70 Stunden Fahrt, zweieinhalb Tage Regen, eineinhalb Tage Sonnenschein - das sind die Eckdaten meiner vier Tage und drei Nächte auf der Puerto Eden. Um es vorwegzunehmen: Es war überraschend komfortabel, angenehm und relaxt. Die Ausblicke von Deck - vor allem natürlich am vorletzten, dem sonnigen Tag - waren tatsächlich oft atemberaubend. Hier eine Kurzfassung der Bootsodyssee.

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Endlich auslaufbereit: Die Puerto Eden

Mo, 16:00 - Einchecken Rund 80 Personen besteigen den riesigen Dampfer und bahnen sich ihren Weg vorbei an Autos, Trucks und Containern zu den Kabinen. Ich sehe überraschend wenig "typische" Backpacker, dafür viele ältere Reisende, Senioren, Pärchen und offensichtliche Wanderer. Fast nur Europäer und Nordamerikaner.
Mo, 16:15 - Kabine Zwei Stockbetten, ein Waschbecken, Schrank, Heizung, winziges Bad und ein kleines Bullauge - alles auf weniger als neun Quadratmetern. Zum Glück sind wir nur zu dritt in der Viererkabine (Nachsaison): Diego (Spanien) und ein französisch-sprechender Kanadier, beide mittleres Alter.
Mo, 18:00 - Gemeinschaftsraum Nein, es ist wirklich keine Kreuzfahrt. Es gibt genau einen Aufenthaltsraum mit Couches, Leinwand und Tischen. Er ist gleichzeitig Kino (3 Filme pro Tag), Esszimmer, Gemeinschaftsraum, Bar und (am letzten Abend) Disko.
Mo, 19:30 - Abendessen Ich sitze zusammen mit Julia (Berlin), die ich bereits aus den Hostels in Valdivia und Puerto Varas kenne. Es gibt: Fisch mit Reis, Salat, Brot, Obst und Saft. Es ist: Absolut delikat - genau wie die Frühstücke, Mittag- und Abendessen der folgenden Tage. Welche eine angenehme Abwechslung zum selbst einkaufen, kochen, abspülen der letzten Monate.
Mo, 23:00 - Abendgestaltung Nach dem Film (Motorcycle Diaries) sitzt man zusammen bei ein paar Gläsern Bier bzw. Wein. Die meisten Passagiere haben den Alkohol tütenweise an Bord gebracht. Trotzdem bleibt es ruhig und gesittet. Mittlerweile kenne ich das halbe Schiff, da man nahezu pausenlos im Gemeinschaftsraum sitzt und sich mit anderen unterhält.

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Ausblick von Bord - bei schlechtem Wetter

Di, 8:00 - Tag Zwei Die erste Nacht an Bord habe ich geschlafen wie ein Stein. Nach dem ausgiebige Frühstück beginnt der Schiffsalltag: Kaffee trinken, lesen, unterhalen, Small Talk, ausruhen, relaxen, träumen und nur ganz selten ein Ausflug aufs Deck. Denn: Es regnet, ist grau und eisig-kalt.
Di, 15:00 - Golf von Pena Die Warnung kommt per Lautsprecher: "Allen Passagiere, die anfällig für Seekrankheit sind, raten wir, nun ihre Pillen einzunehmen." Hintergrund: In zwei Stunden geht es auf offene Meer durch den Golf von Pena. Dort warten Wellen und rauher Seegang. Ich entscheide mich gegen eine Pille: Irgendwann muss ich ja herausfinden, ob ich seekrank werde oder nicht.
Di, 17:00 - Fliegender Teppich Es geht los: Ernst sanft, doch immer heftiger beginnt das Schiff Hin und Her zu schaukeln. Fühlt sich an wie Fliegender Teppich auf der Wiesn. Meinem Magen geht es blendend - anscheinend können ihn tatsächlich nur Ziegen und Meeresfrüchte aus der Bahn werfen.
Di, 19:30 - Seekrankheit Hungrig mache ich mich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum und will mich in die obligatorische Schlange vor der Essensausgabe einreihen. Doch Überraschung: Der Raum ist halbleer, mehr als die Hälfte der Passagiere hat sich ins Bett (leicht seekrank) oder auf die Toilette (schwerere Fälle) zurückgezogen haben. Aus einer Kabine im Unterdeck kommen erschreckend laute Kotzgeräusche. Ich habe weiter keinerlei Probleme - und kann mir dank der geringen Essensbeteiligung einen Nachschlag holen.
Di, 23:30 - Wiege der Nacht Mittlerweile sind wir mitten im Golf. Das Schiff schaukelt enorm und bei meinem kurzen Abstecher auf Deck wäre ich beinahe von Bord geweht worden. Ob ich bei solchen Bedingungen schlafen kann? Zur Sicherheit gönne ich mir noch eines der mitgebrachten Dosenbiere. Keine fünf Minuten später schlummere ich auch schon wie ein Baby in wiegenden Bett.

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Ausblick von Bord - bei gutem Wetter

Mi, 8:00 - Tag Drei Nach acht Stunden Schlaf mache ich mich ausgeruht auf zum Frühstück, Dort erkennt man sofort, wer gestern gelitten und kaum ein Auge zugemacht hat - viel Gähnen, Augenringe und übermüdete Gesichter. Dafür gibt es eine Überraschung: Die Sonne kommt hervor. Sofort ströhmen alle Passagiere an Deck, knipsen Fotos und genießen die Aussicht auf enge Kanäle, schneebedeckte Berge, Seelöwen und Vögel.
Mi, 16:00 - Pläne schmieden Nach dem Marsch der Pinguine beratschlage ich mit Julia (Berlin) , Diego und Aline (Lausanne). Zusammen wollen wir die wohl populärste Mehrtageswanderung in Südamerika absolvieren: Den so genannte W-Treck (4-5 Tage) im Nationalpark Torres del Paine nahe Puerto Natales. Der Plan: Geld sparen und statt in warmen Refugios im gemieteten Zelt nächtigen. Gekocht wird mit dem Gasbrenner. Die Gefahr: Das unberechenbare Wetter.
Mi, 20:00 - Bingo! Am letzten Abend gibt es an Bord das traditionelle Bingo - Patagonia. Inzwischen haben sich alle Passagiere erholt. Die Folge: Die in der Nacht zuvor unangetasteten Alkoholvorräte müssen geleert werden. Trotz schrecklicher Musik herrscht dementsprechend schnell fröhliche Stimmung. Beim Bingo gehe ich leer aus - zum Glück. Denn ebenfalls laut Tradition müssen die Sieger einen Tanz vorführen.

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Endlich am Ziel: Puerto Natales

Do, 8:00 - Tag Vier Ein letztes Mal Aufstehen, ein letztes Mal Frühstück. Das Wetter scheint in Ordnung, so dass sich die meisten hoch aufs Deck trauen, um noch ein paar Fotos zu schießen. Die Landschaft ist inzwischen richtig winterlich. An uns ziehen schneebedeckte Gipfel, Gletscherzungen und unberührte Natur vorbei. Inzwischen kenne ich wirklich jeden an Bord und ein Wiederehen scheint vorprogrammiert: Praktisch alle Passagiere wollen von Puerto Natales aus in den Nationalpark Torres del Paine
Do, 12:00 - Noch einmal das Wetter Seit einer Stunden sitzen wir im Gemeinschaftsraum und warten. Alles ist gepackt und eigentlich sollten wir inzwischen schon in Puerto Natales an Land gegangen sein. Doch ein starker Wind ist aufgekommen, so dass das Schiff nicht in den Hafen laufen kann. Einziger Vorteil: Dank der Verspätung bekommen wir ein weiteres Mittagessen serviert - wie immer lecker und kostenlos.
Do, 12:30 - Land in Sicht Geschafft! Nach rund 70 Stunden legen wir in Puerto Natales ein. Ein letztes Foto von unserer Fähre, viele Verabschiedungen und dann geht es mit Julia, Aline und Diego in ein nahes Hostel. Dort wollen wir jedoch nur eine Nacht bleiben, bevor es morgen in den Nationalpark geht. Entsprechend gibt es viel zu tun: Zelt mieten, Route planen und Essen einkaufen. Letzteres wird nach den Schlemmereien der vergangenen Tage karg ausfallen: Instant-Suppen, Nudeln, Oatmeal und Kartoffelbrei stehen auf dem Speiseplan.

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Sonnenuntergang auf hoher See

Fazit Kindheitstraum erfüllt, wunderbare Landschaften genossen, viele interessante Leute (sowie Trekkingpartner für Torres del Paine) kennen gelernt, gut gegessen, viel gelacht und nicht seekrank geworden. Es war also nicht nur interessant, sondern: Ein Erlebnis.