23 April 2007

Eiszeit im Süden

Bei den Planungen für meine Tour um den Erdball hatte es zwar nicht oberste Priorität, doch in den bisherigen sechs Monaten bin ich permanent der Sonne hinterhergereist. Südostasien, Australien, Neuseeland und die Mitte Chiles - überall war es warm bis heiß und trocken, so dass ich Dinge wie Regen, graue Wolken, Kälte und Schnee schon fast vergessen hatte. Meinen ersten und bis heute einzigen Pullover habe ich nach zwei Monaten in Hongkong erstanden, doch in der Folgezeit wurde er eher selten gebraucht. Mein tägliches Outfit bestand aus T-Shirt, Shorts und Flip-Flops und selbst darin waren die Tage zumeist schweißtreibend. Doch all das gehört nunmehr der Vergangenheit an, denn mittlerweile bin ich am südlichsten Zipfel der Amerikas - in Argentiniens Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Von hier sind es noch 1.000 Kilometer bis zur Antarktis. Oder anders: Der 4.000 Kilometer entfernte Südpol ist näher als die Nordgrenze des Landes. Es ist kalt, windig und der regelmäßige Regen wird schon jetzt im Herbst nicht selten zu Schnee. Für mich bedeutet das vor allem eins: Ich friere.

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Ushuaia ist die südlichste Stadt der Welt - und kalt

Am extremsten erlebte ich die neuen Wetterbedingungen bei meinem Besuch in Chiles Torres del Paine, dem wohl bekanntesten Nationalpark Südamerikas. Er liegt in Patagonien, ungefähr drei Stunden entfernt von Puerto Natales. Der kleine 10.000-Einwohner-Ort existiert aus einem Grund: Den rund 200.000 Touristen, die den Park pro Jahr besuchen. Ich kam mit der Navimag-Fähre in Puerto Natales an und schon an Bord wurden fleißig Pläne geschmiedet: Fünf Tage wollten wir den populären "W"-Treck im Park ablaufen - beladen mit (gemieteten) Zelten, Isomatten, Schlafsäcken, Gaskocher und einem Vorrat an geschmacksarmen, aber nahrhaften und leichten Lebensmitteln. Im Sommer - auf der Südhalbkugel ist das Dezember bis Anfang März - tummeln sich tausende Wanderer auf dem "W" und die Campingplätze sind bis auf den letzten Quadratmeter mit Zelten zugepflastert. Im April ist der Touristenstrom jedoch schon weitgehend verebbt. Die Erklärung hierfür ist das unberechenbare Wetter - doch dazu später mehr.
Wir, das waren übrigens Diego (Baskenland), Aline (franz. Schweiz) und ich - eine bezüglich der jeweiligen Spanisch- (Diego perfekt, Aline OK, ich erbärmlich) und Englisch- (ich perfekt, Aline OK, Diego dürftig) -Kenntnisse äußerst interessante Kombination. Beispielhaft einer der vielen multilingualen Dialoge während unseres Ausflug:

Patrik (zu Diego): "Look mate! Over there are some icebergs."
Diego: "What?"
Patrik (stockend): "Aqui hay unas montagnas de helado."
Diego (entgeistert zu Aline): "Como?"
Patrik (zu Aline, erneut stockend): "Là, il y a les montagnes de ice!"
Aline: "Quoi? What?"
Patrik (langsam, laut): "Icebergs! There!"
Diego und Aline: "Ah. Icebergs!"
Patrik (zu Diego): "Como se dice 'iceberg' en espagnol?"
Diego: "Iceberg. What is it in English?"
Patrik: "Iceberg." (zu Aline) "And in French?"
Aline: "Iceberg. And in German?"
Patrik: "Eisberg."
Alle: "Ahh."

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Spektakulärer Nationalpark: Torres del Paine

Der erste Tag in Torres del Paine begann viel versprechend: Es war trocken, nicht zu kalt und nach einer fünfstündigen Wanderung wurden wir mit einem traumhaften Ausblick auf den blau-schimmernden Gray-Gletscher belohnt. Doch bereits am Nachmittag des nächsten Tages setzte Regen ein, so dass wir nach einem langen und anstrengenden Wandertag (ich fange gar nicht an, ob des 12-15 Kilo schweren Rucksacks zu jammern) unsere Zelte bei Kälte und Regen in der Dunkelheit aufbauen mussten. Tag drei brachte ab der Mittagszeit erneut Regen, der in der eisigen Nacht in Schneefall umschlug, so dass wir am Morgen von einer 30 Zentimeter hohen Neuschneedecke geweckt wurden. Angesichts zugeschneiter Wege - hier will ich meine Turnschuhe kurz erwähnen, die den uns entgegen kommenden, perfekt ausgerüsteten Wanderern regelmäßig ein höhnisches Lächeln entlockten - und anhaltendem Schneefall entschlossen wir uns, auf den letzten Tag zu verzichten und den Rückweg anzutreten. Am Abend erreichten wir schließlich frierend und müde, aber glücklich Puerto Natales. Gerne würde ich das Gefühl nach der heißen Dusche im Hostel beschreiben, doch dafür müsste ich auf den entstandenen Körpergeruch nach fünf Tagen Wandern ohne Wasserkontakt (von Regen und Schnee abgesehen) beschreiben. Und das will ich nun wirklich nicht.

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Schnee so weit das Auge reicht - in Torres del Paine

Stattdessen blicke ich lieber nach vorne, denn auch wenn ich in Ushuaia erneut viel Regen und Schnee zu Gesicht bekommen habe, so hat der Besuch in der südlichsten Stadt der Welt doch etwas Gutes: Da mir das nötige Kleingeld von rund 3.000 Euro für eine Antarktis-Expidition fehlt, werde ich gezwungenermaßen von nun an wieder nach Norden reisen. Und das bedeutet auf der Südhalbkugel vor allem eines: Es wird wärmer.

Hier findet ihr Fotos von unserem Camping-Ausflug in Torres del Paine, sowie Bilder von Ushuaia in Tierra del Fuega.