30 April 2007

Genug ist genug!

Seit fünf Wochen reise ich nun schon durch die südlichen Regionen Chiles und Argentiniens. Patagonien, Feuerland und der oft als "Patagonien Light" bezeichnete Lake District - hier bin ich auf Vulkane geklettert, in Nationalparks gewandert, durch kniehohen Schnee gestapft; ich habe Gletscher, Bergseen und Wasserfälle bewundert sowie Ausflüge mit Mountainbike und Segelboot unternommen. Es war oft abenteuerlich, immer landschaftlich wunderschön und meist kalt - oft auch eisig kalt. Doch genug ist genug! Ich will wieder in die Wärme, schwitzen, die Sonne sehen, Flipflops und Shorts tragen. Auf der Südhalbkugel, wo gerade Herbst ist, heißt das: Ab in den Norden.
Doch bevor ich den menschenleeren, aber pittoresken Südprovinzen den Rücken kehre, standen in der vergangenen Woche noch zwei Klassiker der Touristenroute auf dem Programm: El Chalten und El Calafate. Letzteres ist ein kleiner Ort am Fuße der Andenausläufer mit rund 8.000 Einwohnern, dessen Ruhm - auf der Hauptstraße reihen sich Souvernirshops, Tourveranstalter und überteuerte Restaurants - auf einer einziger Attraktion beruht: Dem 80 Kilometer entfernten Petito Moreno Gletscher. Er ist ein Ausläufer der 300 Kilometer langen Eisplatte, die sich zwischen den beiden Gebirgsketten der Anden erstreckt und insofern besonders, als dass er sich im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern weiter ausdehnt. Petito Moreno wächst täglich um zwei Meter, so dass riesige Eisberge mit ohrenbetäubendem Donnern von der bis zu 80 Meter hohen Eiswand in den darunter liegenden Lago Argentino stürzen. Dieses Spektakel lockt die Touristen an und glaubt mir: Selbst nachdem ich nun schon etliche Gletscher besucht habe, entlockten die Ausblicke von Plattformen und Boot mir ehrfurchtsvolle Wows im Minutentakt.

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Eine Eiswand von 80 Meter Höhe: Der Petito Moreno Gletscher

Mein zweiter Stopp, El Chalten, ist ein winziges Dörflein, das noch einmal rund vier Stunden nördlich von El Calafate und eingeschlossen von den schneebedeckten Gipfelketten der Anden liegt. Im Winter wohnen hier weniger als 500 Menschen, doch im Sommer strömen die Touristen zu Tausenden (letzte Saison: 45.000) in das zu dieser Zeit hoffnungslos überbevölkerte Örtchen. Der Grund: El Chalten hat mit dem nördlichen Sektor des Parque Nacional Los Glaciares ein Wanderparadies direkt vor der Haustür. Unmittelbar am Ortsausgang beginnen die Trekkingpfade rund um - oder für Extremkletterer auf - die Granitgipfel Fitzroy (3.400 Meter) und Torre (3.000 Meter).

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Von Berggipfeln umgeben: Das kleine Örtchen El Chalten

Ende April ähnelt El Chalten aufgrund des unberechenbarem Klimas bereits einer Geisterstadt, doch da ich hier zumindest abschnittsweise Glück mit dem Wetter hatte, konnte ich an jedem meiner drei Tage zu Wandertouren aufbrechen. Damit habe ich nunmehr in sechs Wochen Südamerika stolze 16 Tage in zehn verschiedenen Nationalparks verbracht und bin dabei täglich zwischen sechs und acht Stunden gewandert. Noch einmal: Ich!, der Zuhause schon über den Weg zum Supermarkt jammert und der für die fünf Minuten Strecke zum Marienplatz in die S-Bahn steigt. Doch so schön die Trekkingausflüge in Patagonien auch waren - momentan habe ich (zumindest vorerst) genug vom Wandern. Genug ist schließlich genug!

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Wanderparadies um Chalten. Hier: Der Cerro Torre

Genug Kälte, genug Regen und Schnee, genug Wandern - was läge da näher als endlich den tropischen Norden Argentiniens zu erkunden? Entsprechend mache ich mich morgen auf in das 4.000 Kilometer entfernte Puerto Iguazu im äußersten Nordosten des Landes, von wo aus man sowohl die brasilianische, als auch die paraguayische Grenze im Blickfeld hat. Mit dem Bus würde ich von hier etwa 70 Stunden brauchen, doch selbst unregelmäßige Leser meiner Berichte wissen: Wenn es etwas gibt, von dem ich wirklich genug habe, dann ist es das Busfahren. Schließlich liegen ein 12-Stunden-Bustrip von Puerto Natales nach Ushuaia, 19 Stunden weiter nach El Calafate, und 4 Stunden nach El Chalten hinter, sowie eine 8-Stunden-Fahrt nach Rio Gallegos vor mir. Doch genug ist genug! In Rio Gallegos steige ich in den Flieger, der mich über Buenos Aires nach Puerto Iguazu bringt. Dort wartet mit den weltbekannten Wasserfällen eine der größten Touristenattraktionen Südamerikas (wanderfrei übrigens) und - nicht weniger wichtig für mich - tropisches, d.h. deutlich wärmeres Wetter.